суббота, 30 сентября 2023 г.

Der Konflikt um Berg Karabach und seine Folgen

 Armenien – Aserbaidschan

VON BERNHARD CLASEN

Krisen und Kriege

Eriwan, 18. September. 

Einträchtig sitzt die armenische Familie Mirsojan beim Mittagessen im Zentrum von Jerewan, unweit der weltberühmten „Blauen Moschee“. Irgendwo läuft leise ein Fernseher, es ist das Erste Russische Fernsehen. Tabbouleh-Salat mit Tomaten, Gurken, und Petersilien, daneben gedünstete Kartoffeln neben einem Fleischeintopf stehen auf dem Tisch. Und als Nachspeise gibt es eine frische Wassermelone. Dieser Tag ist ein besonderer Tag. Besuch hat sich angekündigt. Freudestrahlend begrüßt Ira ihre 80-jährige Mutter Gayana und ihren 25-jährigen Sohn Artur. Gayana lebt in Moskau. Sie ist einen Tag zuvor mit einer Aeroflot-Maschine von Moskau gekommen. Und Sohn Artur hat es noch rechtzeitig vor wenigen Monaten geschafft, aus Stepanakert / Chankendi in Karabach rauszukommen. Nur einer fehlt: Iras Bruder Robert. Er lebt in Kiew. Und weil er die ukrainische Staatsbürgerschaft hat, darf er die Ukraine nicht verlassen. Robert will das auch gar nicht, erklärt Ira. Ihr Bruder sei ein echter ukrainischer Patriot. Immer wieder erzählt sie am Tisch von Robert und seinem letzten Besuch in Yerevan. Doch das war vor dem Krieg in der Ukraine.

Alle haben sie eines gemeinsam: Sie kennen die moderne Form des Krieges mit Drohnen aus eigener Erfahrung. „Wie hässlicher Regen sind die türkischen Drohnen auf uns niedergeprasselt“ beklagt sich Ira, die den 40-Tage Krieg im November 2020 in Karabach erlebt hat. Sie lebt erst seit einem Jahr in Jerewan. Wie ein Trauma hat sich dieser Krieg im Gedächtnis jedes Armeniers/jeder Armenierin, insbesondere aber jedeR Karabach-Armenier*in, fest in ihr Gedächtnis eingebrannt. Und rechtzeitig hatte man Artur nach Moskau zum Studieren geschickt. Ira wollte nicht, dass Artur im Krieg umkommt. „Er ist mein einziger Sohn“. Auch Gayana berichtet von Drohnen, die inzwischen regelmäßig Moskau erreichen. „Robert und seine Frau haben vor kurzem angerufen, gefragt, ob wir nicht ihre Kinder aufnehmen können – bis der Krieg mit seinen Drohnenangriffen auf Kiew vorbei ist“ sagt Ira. Roberts Kinder seien nach mehreren Luftangriffen ganz verstört. Für die Familie ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man Roberts Bitte erfüllt. „Solange es in Yerevan ruhig ist.“ Alle am Tisch haben sie große Sympathie mit der Ukraine. „Spätestens, wenn Biden nicht mehr Präsident der USA ist, ist auch dieser Krieg zu Ende“, sagt Tante Gayana. Sie hat es sicherlich tröstend gemeint, aber diese Argumentation kennt man eigentlich nur aus dem russischen Fernsehen, das immer noch im Hintergrund läuft.

Baku, 24. September.

Eine aserbaidschanische Familie beim Mittagsessen am Stadtrand von Baku. Man freut sich über den Gast aus dem Ausland und hat entsprechend aufgetischt. Es gibt eingelegte Zwiebeln, Kräuter, grüne Zwiebeln, Makrele, Kartoffeln, Radieschen, Gurken, einen im Kaspischen Meer gefischten Stör in Granatapfelsauce. Wer will, kann eine Zitrone auf dem Stör auspressen. Zu trinken gibt es Säfte, Mineralwasser und jede Menge Alkoholika. Bereitwillig übersetzt Gastgeber Vugar seinen Kindern und seiner Frau, die nicht in Baku aufgewachsen ist, das Gespräch vom Russischen ins Aserbaidschanische. Schnell kommt man auf die „antiterroristische Operation“ in Bergkarabach zu sprechen.

„Nur einen Tag haben wir gekämpft und fast 200 tote aserbaidschanische Soldaten.“ schimpft Vugar. „Das kann doch nicht sein. Israel wäre so etwas nicht passiert.“ Die Familie schweigt einen Augenblick im Gedenken an die getöteten aserbaidschanischen Soldat*innen. Dass auch Armenier*innen umgekommen sind, interessiert nicht.

Eldar Sejnalow, langjähriger Menschenrechtsaktivist und Direktor des Aserbaidschanischen Menschenrechtszentrums, kennt diese Kritik an der aserbaidschanischen Militäroperation gegen Bergkarabach. „Nein, diese Logik will und kann ich nicht nachvollziehen“ sagt er gegenüber dem FriedensForum. „Weniger Verluste hätte Aserbaidschan nur gehabt, wenn es Karabach bombardiert hätte. Waffen und Munition dafür hätte Aserbaidschan gehabt. Aber was soll denn so eine Grausamkeit im dritten Jahrtausend!“

Exodus

Nach der „antiterroristischen Operation“, wie man in Aserbaidschan sagt, bzw. dem „Genozid“, wie man in Armenien sagt, begann der Exodus. Die Armenier*innen von Berg Karabach haben kein Vertrauen in die Machthaber von Aserbaidschan, wollen sich nicht „reintegrieren“ lassen. Über 50.000 Karabach-Armenier*innen sind inzwischen in Armenien eingetroffen.

Gegam Bagdasarjan, Präsident des Presseclubs von Stepanakert / Chankendi, beschreibt auf seiner Facebook-Seite die Situation nach dem 19. September. „In der Nähe der Stadt Martuni fordern die Aserbaidschaner die Menschen über Lautsprecher auf, die Stadt zu verlassen, andernfalls würden sie alle töten. Soweit ich weiß, wurde Martakert drei Tage Zeit gegeben. Aus den Außenbezirken von Stepanakert (aus Richtung Krkzhan) wird auf die Stadt geschossen.“ Stepanakert / Chankendi ist derzeit noch nicht von aserbaidschanischen Truppen besetzt.

„Ohne internationale Präsenz ist eine Evakuierung unmöglich, da es eine Reihe von Hindernissen gibt. Das Wichtigste davon ist die Haltung der Russen,“ so Bagdasarjan. „Die Russen wollen, dass eine bestimmte Anzahl von Menschen bleibt, um ihre kriminelle Präsenz hier zu rechtfertigen. Das ist in der Tat eine Geiselnahme.“

Opposition in Armenien – kann Paschinjan sich halten?

Armeniens Premier-Minister Nikol Paschinjan hatte im Mai etwas gemacht, was keiner seiner Vorgänger gewagt hatte: Er hatte Bergkarabach als Teil Aserbaidschans anerkannt. Damit zog er sich den Ärger der weitgehend russlandfreundlichen Opposition zu. Sofort nach Aserbaidschans „antiterroristischer Operation“ wurde der prorussische Blogger Mika Badaljan zu einem der Wortführer der Anti-Paschinjan-Demonstrationen. Vielen Aktivist*innen der armenischen Zivilgesellschaft ist Badaljan kein Unbekannter. Er hatte immer wieder Demonstrationen gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor der russischen Botschaft in Eriwan verbal angegriffen. Und als Badaljan Anfang September wegen illegalem Waffenbesitz festgenommen worden war, hatte das russische Außenministerium dem armenischen Botschafter seine Besorgnis über diese Festnahme übermittelt. Unterstützt wurden die Anti-Paschinjan Demonstrationen auch von den russischen Fernsehjournalist*innen Margarita Simonjan und Wladimir Solowjew. Beobachter*innen sehen hinter den Protesten auch Sersch Sargsjan und Robert Kotscharjan, beide Vorgänger von Paschinjan.

Koordiniert werden die Anti-Paschinjan-Demonstrationen von Vertretern des "Nationalen Komitees". Diesem gehören u.a. Vazgen Manukyan, der erste Premierminister der Republik Armenien sowie Ishkhan Saghatelyan, Mitglied der nationalistischen Partei Dashnaktsutyun - ebenfalls Abgeordneter von Robert Kotscharjans "Armenia" - an.

Wie hältst Du es mit Russland?

Die Frage, an der sich aktuell in Armenien die Geister scheiden, ist das Verhältnis zu Russland. Russland ist in Armenien überall präsent. Russische FSB-Einheiten wachen an der türkisch-armenischen Grenze, russische FSB-Leute sind auch am Flughafen präsent. „Mit Mühe habe ich einige armenische Begrüßungsworte gelernt“ berichtet die russische Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina. „Und musste an der Grenze feststellen, dass mein Gegenüber kein Armenisch versteht, weil er auch aus Russland stammt.“

Dass es zwischen Premier Nikol Paschinjan und Russlands Präsident Wladimir Putin mit der Chemie nicht stimmt, ist kein Geheimnis mehr. Russland ist über Armeniens neue Westorientierung erzürnt.

Auch David macht der zunehmende Einfluß der Türkei in der Region Angst. Dem soeben pensionierten Offizier missfällt, dass nun auch Türkisch auf den armenischen Lehrplänen stünde und dass sich Armenien gleichzeitig immer mehr von Russland abwendet. In der Folge liefere Russland nicht einmal die Waffen, für die Armenien schon bezahlt habe. „Wenn Russland uns bestrafen will, macht es dies über Aserbaidschan.“ Armenien provoziere Russland, wenn ausgerechnet die Frau des armenischen Premierministers jetzt die Ukraine besuche, dort humanitäre Hilfe übergeben hätte. „Hat sie denn schon vergessen, dass die Ukraine Aserbaidschan mit Waffen, darunter auch Phosphorbomben, im Krieg gegen uns beliefert hatte?“ fragt er sich.

Doch viele fühlen sich von Russland im Stich gelassen. Russland konnte oder wollte die von Putin initiierte Waffenstillstandserklärung vom 9. und 10. November 2020 nicht umsetzen, hatte tatenlos zugesehen, als Aserbaidschan den Latschin-Korridor in Beschlag genommen hatte. Und Russland hatte Aserbaidschan bei seiner „antiterroristischen Operation“ gewähren lassen.

Der Leiter des Vanadzor-Büros der Helsinki Citizens' Assembly, der Menschenrechtler Artur Sakunts, fordert vor diesem Hintergrund auf seiner Facebook-Seite den Austritt Armeniens aus der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) einen blockfreien Status Armeniens, einen Abzug der russischen Truppen, eine strategische Zusammenarbeit mit den USA und Frankreich zum Aufbau eines neuen Sicherheitssystems und eine Kündigung von Verträgen einer strategischen Zusammenarbeit mit Russland.

Auch der Politologe Areg Kotschinjan findet sich in diesen Forderungen weitgehend wieder. Er geht sogar noch einen Schritt weiter. Wenn man keine Integration mit Russland mehr wolle, so Kotschinjan auf dem Portal civic.am, komme man um eine Einigung mit Aserbaidschan und der Türkei nicht herum.

In Aserbaidschan ist viel von einem armenisch-aserbaidschanischen Friedensvertrag die Rede, der noch in diesem Jahr unterzeichnet werden solle. Für den 5. Oktober ist eine Begegnung des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliew mit dem armenischem Premierminister Nikol Paschinjan auf der dritten Tagung der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Granada (Spanien), bei der die Führungsspitzen aus ganz Europa zusammenkommen, geplant.

Begeisterung löst diese Perspektive eines Friedensvertrages mit Aserbaidschan in Armenien nicht aus. „Der Appetit kommt beim Essen“ kommentiert der armenische Politologe Alexander Iskanderjan. International anerkannte Grenzen, und das zeigten die Beispiele von Syrien und der Ukraine, würden noch lange nicht garantieren, dass man nicht angegriffen werde. Iskanderjan befürchtet, dass Aserbaidschan mehr wolle als nur Karabach.

Streit um „Korridor“ Sangesur vorprogrammiert.

Aserbaidschan will einen „Korridor“ zwischen der Enklave Nachitschewan und dem aserbaidschanischen Mutterland. Über diesen „Korridor“ sollen Straßen und Züge Nachitschewan und damit auch die Türkei mit dem aserbaidschanischen Mutterland verbinden. Kontrolliert werden soll dieser „Korridor“ von Aserbaidschan. Zwar war in der Waffenstillstandserklärung vom 9. und 10. November 2020 Aserbaidschan tatsächlich eine von russischen Truppen gesicherte Landverbindung zugesagt worden. Von einem „Korridor“ war indes nicht die Rede. Und „Korridor“ bedeutet im Kontext des Südkaukasus eine extraterritoriale Landverbindung.

Auch der Iran dürfte von einem „Korridor“ direkt an seiner Grenze wenig begeistert sein. Zum einen ist die mit dem Iran verfeindete Türkei NATO-Land und somit Bündnispartner von Erzfeind USA. Zum anderen werden aktuell Güter von Nachitschewan ins aserbaidschanische Mutterland über den Iran transportiert. Mit einem „Korridor“ auf armenischem Gebiet würde der Iran eine wichtige Einnahmequelle verlieren.

Netzwerk Friedenskooperative

Network of the German Peace Movement

Ausgabe 6 / 2023

https://www.friedenskooperative.de/friedensforum/artikel/der-konflikt-um-berg-karabach-und-seine-folgen

вторник, 26 сентября 2023 г.

Aserbaidschan: Wenig Begeisterung in der Hauptstadt Baku

Aserbaidschan bereitet Reintegration der Karabach-Armenier vor und spricht weiter mit deren Vertretern

Bernhard Clasen, Baku 26.09.2023, 12:25 Uhr Lesedauer: 6 Min.

»Wie, in Baku wird nicht getanzt? Keine Feste bei diesem Sieg?« Oles, der Ukrainer, der extra seinen Freund in Baku angerufen hat, um ihm zu diesem Sieg über die Karabach-Armenier zu gratulieren, kann es nicht fassen. Er steht, wie die Mehrheit der Ukrainer, auf der Seite von Aserbaidschan, vergleicht man doch in der Ukraine Berg-Karabach mit der Krim. Doch entgegen der Erwartungen der ukrainischen Freunde von Aserbaidschan feiert man in Aserbaidschan den Sieg über Berg-Karabach nicht: keine Fahnen, keine Tänze, kein Jubel. Nur an einem Ort sieht man aserbaidschanische Fahnen: auf der Chaussee vom Flughafen in die Innenstadt. Und über diese Straße muss jeder fahren, der nach Aserbaidschan will, ist doch der Landweg seit der Covid-Pandemie geschlossen. An dieser mehrspurigen Stadtautobahn hängen fast an allen Balkonen aserbaidschanische Fahnen. Alle sehen gleich aus und sind an genau derselben Stelle auf dem Balkon angebracht. Spontane Begeisterung sieht anders aus.

Im Internet ist das Video eines Autokorsos zu finden, bei dem Dutzende Autos mit russischen, türkischen und aserbaidschanischen Fahnen durch die Stadt rasen. Die Bilder erzählen vom Sieg, doch die Stimmung ist eine andere. »Schön, dass wir gewonnen haben«, sagt der Taxifahrer. »Aber meinen Sohn hätte ich nicht zur Armee gehen lassen. Ich habe selber gekämpft, in Karabach vor 30 Jahren. Nein, mein Sohn muss das nicht haben.« Freude hört sich anders an.

Unterdessen bemüht sich das offizielle Aserbaidschan, seinen militärischen Sieg zu festigen – mittels einer raschen »Reintegration« der in Berg-Karabach lebenden Armenier und fortgesetzten Verhandlungen mit Vertretern der armenischen Bevölkerung von Berg Karabach.

So berichtet der armenische Telegram-Kanal Bagramyan26 von neuen Gesprächen Ende vergangener Woche zwischen den Karabach-Armenier und aserbaidschanischen Vertretern. Dabei ging es unter anderem um einen Rückzug der Truppen, die Rückkehr von Menschen, die ihre Häuser verlassen haben. Außerdem hätten sich am Freitag der Präsident von Karabach, Samwel Schachramanjan, und der Chef der aserbaidschanischen Staatssicherheit Ali Nagiew in Schuscha / Schuschi zu Gesprächen getroffen. Auf der Grundlage der Verhandlungen vom 20. September in Jewlach habe man außerdem mit der Suche von Vermissten begonnen, Transporte von Verletzten unter Begleitung des Internationalen Rotenkreuzes nach Armenien zu organisieren, so Bagramyan26.

Nur zwei Tage nach dem militärischen Sieg wurde in Aserbaidschan eine Regierungskommission zur Reintegration von Karabach gegründet. Und immer wieder sprechen aserbaidschanische Offizielle von einem baldigen Friedensvertrag. Ein Friedensvertrag zwischen Armenien und Aserbaidschan, so Hikmet Hadschijew, außenpolitischer Berater des aserbaidschanischen Präsidenten, sei zu 70 Prozent fertig, zitiert der aserbaidschanische Telegram-Kanal haqqin.az Hadschijew.

Doch nicht nur auf armenischer Seite herrscht Skepsis gegenüber den aserbaidschanischen Plänen einer raschen Reintegration der Karabach-Armenier. Der Hauptgrund, warum dies nicht funktionieren könne, analysiert der aserbaidschanische Journalist Schahin Rsajew auf jam-news.net, sei das abgrundtiefe Misstrauen der Armenier gegenüber den Aserbaidschanern. Auch die Aussicht, dass ausgerechnet russische Truppen für Stabilität sorgen sollen, sei beunruhigend, hieße dies doch, dass man die 2025 endende Präsenz der Russen wohl verlängern müsste. Hinzu komme, dass wohl kein Armenier auf seine armenische Staatsbürgerschaft zugunsten der aserbaidschanischen verzichten wolle. Und überhaupt, fragt sich Rsajew, wie will man nun armenische Kinder unterrichten? Mit armenischen Schulbüchern? Das würden die aserbaidschanischen Behörden nicht zulassen, glaubt Rsajaew. Gleichzeitig sei ein Unterricht mit aserbaidschanischem Material wegen der Sprachbarriere nicht möglich. Und aus russischen Schulbüchern wolle wohl auch niemand lernen. Geklärt werden müsse auch die Frage, so Rsajew, in welcher Form junge armenische Männer ihren Wehrdienst ableisten müssten.

Angesichts der Aufregung in russischen und aserbaidschanischen Medien über die Verletzung eines aserbaidschanischen Soldaten fragt sich die in Jerewan lebende Karine Minasjan, Lehrerin für Englisch und Russisch, gegenüber »nd«, warum dieser die Aufmerksamkeit der Medien genieße. »Aber dass hunderte von Bewohnern von Berg-Karabach tot, verletzt oder verschollen sind, ist anscheinend normal« empört sie sich. Sie fürchtet, dass Karabach-Armenier in Aserbaidschan Bürger zweiter Klasse werden könnten.

Für Eldar Sejnalow, Direktor des in Baku ansässigen aserbaidschanischen Menschenrechtszentrums, ist nicht klar, wie die von Aserbaidschan angekündigte Amnestie funktionieren soll. »Der korrekte Weg wäre doch, dass das aserbaidschanische Parlament ein Gesetz zur Amnestie verabschiedet. Derzeit ist überhaupt nicht klar, wie die Amnestie umgesetzt werden soll«, so Sejnalow gegenüber »nd«. Datenschutz ist da jedenfalls kein Thema. Sejnalow fürchtet, dass es bei der Amnestie ähnlich ablaufen wird wie bei Wahlen. »Bei allen Wahlen gibt es öffentlich einsehbare Wählerlisten. Das heißt, ich kann sehen, wo in meinem Bezirk beispielsweise ein Bürger mit armenischem Namen lebt. Und so wird es auch mit der Amnestie sein. Es wird sicherlich nicht schwer sein, herauszufinden, wem Amnestie gewährt wurde. Und so müssen die Amnestierten mit Racheakten rechnen. Die Regierung muss bereits jetzt darüber nachdenken, wie sie Amnestierte vor eben solchen Racheakten schützen will.«

Unterdessen berichtet die Kinderärztin Ira (Name geändert) aus Khankendi / Stepanakert dem »nd« per Messengerdienst von Stromausfällen. »Hier in der Stadt geht die Angst um«, sagt sie. »In unserem Krankenhaus liegen acht verletzte Kinder, zwei davon sind in einem sehr kritischen Zustand«, sagt sie. Wie viele Kinder insgesamt verletzt sind, weiß sie nicht, sie könne nur von den Kindern sprechen, die in ihrem Krankenhaus behandelt werden.

Auch sie habe gehört, dass die Aserbaidschaner Lebensmittel, Medikamente und Treibstoff geliefert hätten. »Bei mir ist allerdings davon noch nichts angekommen«, sagt sie. Gleichwohl fühlt sie sich noch in einer privilegierten Position. »Hier im Krankenhaus gibt es immer Strom und Internet – über einen Dieselgenerator.« Jede zweite Nacht schlafe sie an ihrer Arbeitsstelle. Die Aserbaidschaner seien nicht in die Stadt eingedrungen, berichtet sie. Aber viele Menschen, die am Rand der Stadt leben, seien nun ins Zentrum gegangen – aus Angst, aserbaidschanische Soldaten könnten in ihre Häuser kommen.

Doch schon bahnt sich ein neuer Konflikt an. Aserbaidschan fordert einen Korridor, also eine exterritoriale Landverbindung, von der Enklave Nachitschewan, entlang der armenisch-iranischen Grenze, in das Mutterland. Das dürfte dem Nachbarn Iran, der mit dem Nato-Staat Türkei verfeindet ist, nicht gefallen. Am heutigen Montag treffen sich Recep Tayyip Erdoğan und Ilham Alijew in Nachitschewan. Der Korridor dürfte auch auf der Tagesordnung stehen.

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176530.berg-karabach-aserbaidschan-wenig-begeisterung-in-der-hauptstadt-baku.html

пятница, 22 сентября 2023 г.

«Такая электростанция «прославит» страну как галера с рабами-гребцами»

Тюрьма  –  территория не только наказания, но и исправления. С первым она справляется, а вот со вторым все куда сложнее. Едва выйдя из мест заключения, нередко человек вновь берется за старое. Причины разные – кто-то от безысходности, кто-то – потому что не может жить по-другому.  Одним из эффективных средств воспитания заключенных является труд.

Но некоторые идеи привлечения этой категории к полезной деятельности отличаются особой оригинальностью. Так, на днях в Украине депутат  Верховной рады Сергей Гривко предложил проект, согласно которому украинским заключенным смогут сократить срок нахождения в тюрьме, если они будут генерировать электроэнергию посредством велогенерационных установок. С помощью такого метода заключенные смогут сократить свой срок на 30 дней за год. Кроме того, можно будет продемонстрировать остальным гражданам, что существуют другие пути наполнения энергосистемы страны. Возможно, в будущем такие велогенераторы появятся в тренажерных залах. Законопроект уже внесен в Раду, и автор считает его концептуальным и креативным. Многие, впрочем, придерживаются совершенно иного мнения.

О том, к какому труду нужно привлекать заключенных в отечественных тюрьмах, мы поговорили с главой  Правозащитного центра Азербайджана Эльдаром Зейналовым.

«Что касается идеи о выработке электроэнергии заключенными, то это похоже скорее на шутку. Ну, сколько энергии они выработают? Динамка на велосипеде может питать маленькую лампочку мощностью 1 ватт, 50 тысяч заключенных выработают в час 50 кВт — перемножьте на стоимость киловатта, и выйдет всего несколько тысяч манат. Зато такая электростанция «прославит» страну как галера с рабами-гребцами.

Другое дело, что бывают похожие полезные идеи. Например, пока человек смотрит телевизор, он малоподвижен. Но если он смотрит любимый телесериал от электрогенератора, который работает от его мускулов, то он не теряет время и тренирует свои мускулы и суставы. В тюрьме  физическая активность настолько важна, что невыход на часовую прогулку может быть наказан выговором с занесением в личное дело», – сказал он.

По словам Зейналова,  в нашей стране эффективно применяется практика условно-досрочного освобождения (УДО) при хорошем поведении.

«Подстраховкой тут служит возможность вернуть осужденного в тюрьму, если до конца условного срока он совершит какое-то правонарушение. А вот общий срок лишения свободы может изменить лишь суд, и лишь на законном основании. То есть в любом случае срок уменьшит не тюремная администрация, а суд, а у него может быть иной взгляд на личность осужденного, чем у тюремного начальства. Правда, в сталинские времена практиковались т.н. «зачеты», когда за перевыполнение плана реально, а не условно, снижали срок. Но сейчас эта практика заменена на УДО», – подчеркивает правозащитник.

Он напомнил о статье 4 Европейской конвенции по правам человека, которая  запрещает подневольный труд, приравнивая его к рабству. Однако если труд является частью наказания, назначенного судом на основе закона, он не считается рабством, хотя и является подневольным, принудительным.

Работают добровольно только в хозяйственном обслуживании (не более 10% от общего числа заключенных колонии или тюрьмы). Работа на производственном участке недобровольная. Но их в колониях почти не осталось, так что работы мало, и сейчас это скорее привилегия, чем принуждение. За работу выплачивают зарплату, для которой действительны все правила для зарплат, например, минимальный размер, премии, налоги и пр. Но у работающих удерживают примерно половину зарплаты в бюджет колонии (на питание, охрану, коммунальные расходы и пр.). За работу идет трудовой стаж. Заключенных предпенсионного возраста привлекают к ней лишь с их согласия.

Зейналов отметил, что в настоящее время, заключенных привлекают к нескольким видам труда. Это и работа по хозяйственному обслуживанию собственной тюрьмы, и труд на производстве, и индивидуальный труд (ремесленный).

«Сам по себе труд не сокращает срок, но он улучшает характеристику, в результате чего, при разных режимах лишения свободы, суд может условно освободить осужденного при отбытии от половины до трех четвертей срока. Даже на пожизненном заключении, заключенный с хорошей характеристикой теоретически может быть освобожден после отбытия 25 лет своего срока. Но это, не механический процесс, зависящий от трудового стажа, заработанного за решеткой, а решение судьи. Например, я знаю пожизненника, который отсидел уже более 30 лет, хорошо характеризуется, не нарушает тюремного порядка, но до сих пор не освобожден по УДО. Таково мнение суда…

На мой взгляд, надо привлекать заключенных к более разнообразной и очевидно общественно-полезной работе. Если, например, выходец из села будет работать на охраняемой ферме, то это будет намного более полезная работа, чем вращение педалей, дробление молотком булыжников и т.п. отупляющий труд.

Но, к сожалению, несмотря на то, что наша страна вынуждена импортировать даже традиционную сельхозпродукцию вроде мяса, молочных продуктов, рыбы, овощей, привлечь к этому понятному им труду заключенных не хотят».

Автор: Эля Бельская 

zerkalo.az

Дата: 2023/09/22, 11:56

https://zerkalo.az/takaya-elektrostantsiya-proslavit-stranu-kak-galera-s-rabami-grebtsami/

четверг, 21 сентября 2023 г.

Aserbaidschan will die Kontrolle

Konflikt um Bergkarabach

21. 9. 2023, 17:22 Uhr

BERNHARD CLASEN

Nach dem Angriff Aserbaidschans auf die Region Bergkarabach laufen jetzt Verhandlungen über die Zukunft der dort lebenden ethnischen Armenier.

BAKU taz | Einen Tag nach der erklärten Waffenruhe in Bergkarabach haben sich am Donnerstag Vertreter der Kriegsparteien in der aserbaidschanischen Kleinstadt Evlach getroffen. Begleitet von russischen Friedenstruppen, die seit November 2020 in der Region stationiert sind, trafen zuerst die Vertreter der interna­tio­nal nicht anerkannten „­Republik Arzach“ in Evlach ein.

Angeführt wurde die armenische Delegation von Sergey Martirosyan, dem stellvertretenden Chef des Sicherheitsrats Bergkarabachs, wie das Gebiet meist bezeichnet wird, sowie David Melkumyan, Abgeordneter des Parlaments. Ebenfalls anwesend war der Chef der russischen Seite, der gemeinsamen russisch-türkischen Beobachtungsstelle, Konteradmiral Oleg Semenow.

Bei dem Treffen seien Fragen einer Wiedereingliederung, einer Wiederherstellung der In­fra­struktur und der Organisation der Aktivitäten der armenischen Bevölkerung Bergkarabachs auf der Grundlage der Verfassung und der Gesetze der Republik Aserbaidschan erörtert worden, lautet eine Erklärung des aserbaidschanischen Präsidialamts.

Der russische Dienst des britischen Rundfunkhauses BBC berichtet auf der Grundlage anonymer Quellen, die Vertreter von Aserbaidschan hätten mit den Vertretern der Karabach-Armenier gesprochen, wie es Vertreter der Hauptstadt gegenüber einer Abordnung einer Provinzstadt eigen sei: Es sei, vermutet die BBC, eigentlich um die Frage gegangen, wie schnell die Behörden der nicht anerkannten Republik abgewickelt und durch aserbaidschanische Vertreter ersetzt werden können.

Noch keine abschließende Einigung

Die aserbaidschanische Delegation wurde von Ramin Mammadov geleitet, zuständig für die Kontakte mit den armenischen Einwohnern von Bergkarabach. Er schloss nicht aus, dass die Verhandlungen zu einem Friedensvertrag zwischen den seit Langem verfeindeten Staaten Armenien und Aserbaidschan führen könnten.

Weniger optimistisch äußerten sich Vertreter der Armenier. Man habe noch keine abschließende Einigung mit Baku erzielen können, es müssten einige Detailfragen geklärt werden, zitiert die armenische Nachrichtenagentur Verelq.am einen Vertreter der Karabach-Armenier.

Gegenüber der taz machte ein pensionierter hochrangiger Offizier der armenischen Sicherheitsdienste, der namentlich nicht genannt werden möchte, die armenische Regierung von Premierminister Nikol Paschinjan für den Krieg und die Niederlage verantwortlich. „Ein armenischer Premier, der in diesen Zeiten Russland provoziert, indem er Militärmanöver mit den Amerikanern macht und seine Frau die Ukraine besuchen lässt, handelt unverantwortlich“, so der pensionierte Offizier. „Russland hat uns über Aserbaidschan bestraft.“

Auch Eldar Seynalow, Direktor des Aserbaidschanischen Menschenrechtszentrums in Baku, glaubt, Russland habe Aserbaidschan gewähren lassen. „Die Armenier und Amerikaner haben gemeinsam Manöver durchgeführt, bei denen der Einsatz von friedenserhaltenden Streitkräften geübt worden ist. Das hat Russland provoziert. Und es hat so Armenien für seinen Versuch, sich dem Westen zuzuwenden, bestraft“, erklärt Seynalow gegenüber der taz.

TAZ.de

https://taz.de/Konflikt-um-Bergkarabach/!5958527/

https://taz.de/Bernhard-Clasen/!a211/